Am Sonntag, dem 27.11.2022 fand die Finissage der Ausstellung einer Künstlerin statt, die die Zerstörung der Ukraine durch den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands auf künstlerische Arbeit in ihren Bildern verarbeitet hatte. Die Ausstellung »Zeit der Zerstörung« von Almut Aue berührt in eindrucksvollen Bildern und regt an, über die Fragilität von unbeschwertem Leben in Freiheit nachzudenken.
»Seit Putins Überfall auf die Ukraine hat mich dieser Krieg, wie uns alle, umgetrieben und nicht mehr losgelassen. Wie aber als Malerin umgehen mit den Schrecken, die uns die Medien Tag für Tag ins Wohnzimmer bringen? Das Morden, das Sterben ästhetisieren? Emotionalität auf die Leinwand bringen? Wie soll das gehn? Die ersten Wochen war ich wie gelähmt und konnte das Leid und das Elend der ukrainischen Bevölkerung einfach nicht verbildlichen. Ich habe mich dann für eine halbwegs sachliche Darstellung von Tod und Verwüstung entschieden, wollte mein Entsetzen über das ungeheuerliche Ausmaß an Zerstörung, wie ich sie wahrgenommen habe, »bannen«, indem ich es mir einfach von der Seele gemalt habe.« Mit diesen Worten leitet Almut Aue in ihre visuelle Gedankenwelt ein.
Einführungsrede von Hanna Rut Neidhardt zu Almut Aues Ausstellung »Zeit der Zerstörung«
04.11.2022, Ausstellungsraum EULENGASSE
Ein Himmel wie aus makellosem blauem Glas. Kulisse für das Gewaltsame, das sich ereignet vor Augen, Im Ohr; Wellen der Erregung branden durch das Nervensystem. Da, der kleingewachsene Eiserne mit dem aufgeblähten Ego. Unter dem Glasdach will er der Welt zeigen, dass niemand befugt sei, sich seinen Wünschen zu widersetzen. Schablonen altbekannter Waffenarsenale flackern über die Bildschirme: Bomben, Haubitzen, Panzer, Granaten, Raketen, MGs, Soldaten, und mehr, und mehr, die Ingredienzien der Zerstörung.
Wie begegnet man dem Abscheu über das Ausbrechen militärischer Gewalt? Spontane Reaktion: Kampf oder Flucht. Ortsferne unbeteiligte Zuschauer fühlen sich hilflos. In ihrem Denken flottieren Vorstellungen, etwas tun zu müssen. Ohnmächtige Wut braucht Ventile. Hinschauen und reagieren – wie immer es einer umsetzen kann. Eigene Machtlosigkeit portionieren; das Erdrückende in Schach halten; Distanz schaffen. Die Dämonen bannen, indem ihnen Gestalt zugewiesen wird, auf der Leinwand, der Verfügungsebene des Malers.
Wie weit geht der Einfluss von Bildwerken? Schauen wir, 85 Jahre danach, auf Picassos Guernica. Ein Zeugnis – eine malerisch konservierte Weltsekunde im Format einer großen Wand, machtlos im Kampf gegen die damaligen Aggressoren, doch eingebrannt in das Welt-Kunst-Gedächtnis als Ikone der Verurteilung. Als zeitloses Meister-Mahnmal überdauert es jene, die längst nicht mehr sind als Namen des Schreckens und der. Unmenschlichkeit. Trotziges Aufbäumen; dagegen Anmalen, Anschreiben, Ansingen, Antanzen. Artikulieren aller denkbaren Formen wider das Diktat der Zerstörung.
Vor welchem Bildgrund bot sich das Kriegsgeschehen der Malerin Almut Aue dar? Ihr erster Blick, die perfide Schönheit, das tiefe, reine, makellose Coelin, das Kobalt und Ultramarin der ukrainischen Himmel. Sie schaut auf das unendlich Blaue, begreift nicht, wie es sich entfernt und unbeteiligt über den Schmutz und die Bösartigkeit der Vernichtung spannen kann … ein scheinbar unzerbrechlicher unwirklicher Plafond aus einer anderen Sphäre. Als bildende Künstlerin mag sie das Widersprüchliche in Formen kleiden, genährt aus eigener Emotionalität. Die Annäherung an Bilder des Entsetzens ist schwierig, wenn nicht unmöglich, wenn das eigene Innen erschüttert ist. Wer standhalten will, braucht sicheren Grund. Aber der Künstler hat ja die Mittel, zu transponieren·. Das Sinnen über Fragen von Ästhetik hilft, sich Bildern stellen zu können, die Angst und Wut machen. Das Bedürfnis, zu verarbeiten etwas zu tun – führt zum Bildwerk.
Die meisten Exponate thematisieren die oben beschriebenen Gegensätze. Farbe ist hier symbolisch zu verstehen. Schwarz bedeutet Abgrund, Böses, lichtloses; das Blau ist das des Grenzenlosen, Freien, Träger der Sonne und Garant des Lebens. Das mag eindimensional klingen, so wie es ja militärische Auseinandersetzungen sind, in denen es immer nur um das Eine geht: Den Sieg um jeden Preis.
Vielschichtig zeigen sich zwei Bilder von 2014, dem Jahr der Krim Annexion. Schwarzgrau gestimmt, sparsam in der Farbe, eruptiv und emotional, fügen sie sich gestalterisch wie inhaltlich in die jüngste Serie ein. In der großformatigen Arbeit, zugleich der ersten von allen, zieht ein unerbittlich voranwälzendes Kriegsmonstrum Blicke auf sich, ein zum Apparat mutiertes Tier.
Der ehmals blaue Himmel ist überdeckt von grauen Rauchschwaden über Feuern. Menschen im Bauch des Fahrzeugs hocken hinter einem Gitter -ob Sieger, Verlierer, Freiwillige, Rekrutierte oder Festgenommene – Gefangene der Kriegsmaschinerie sind sie alle.
Worauf zielen diese Bilder? Dienen sie zuallererst der Befreiung der Malerin von unerträglichem Druck? Oder können sie auch beim Betrachter Nachdenken provozieren über das, was einer da erkennt? Welches Medium als Kunst eignet sich besser, Sphären zu erschließen, die unter der oberflächlichen Wahrnehmung liegen! Ich erinnere an Gerhard Richters beunruhigende Bilder über die RAF und den Pfuhl an Verheimlichung und Spekulation, der unter ihnen lauert.
Zweifellos erschließt sich auf dem Weg in das Gemalte dieser Arbeiten im Hier und Heute ein anderer Zugang zum ·Nachdenken über das, was ein Krieg anrichtet, als es die Rezeption von grausigen Bildinfos aus Medien vermag.
Informationen über die Geschehnisse sind weltweit präsent; es braucht keine Details, sie einzuordnen. Krieg ist ohnehin ein global vorhandenes menschlich-unmenschliches Phänomen. Wesentlich ist letztlich das Erkennen des Irrationalen, das jedem Krieg anhaftet sei es ein heiliger, ein profaner, ein Verteidigungs- oder Eroberungsfeldzug. Es zählt die Verortung der eigenen Haltung zur sogenannten »Politik mit anderen Mitteln« (v. Clausewitz).
Zerstören, um zu besitzen -was ist das für eine Logik? Und warum sind Kriegsherren unfähig, sich dieser Ungereimtheit zu stellen?
Was bleibt uns nun in all unserer Ratlosigkeit? Bilder betrachten; Filtern; Saufen der Essenzen; wenn uns etwas Sinnvolles einfällt, irgendwie reagieren.
Die heutige Bildserie wird im fortlaufenden Strudel der Ereignisse präsentiert: Nun bedarf das Kunstwerk, anders als die Berichterstattung, nicht des pointiert Aktuellen. Im Gegenteil. Das Marktschreierische, das den heißesten frischesten Infos aus Politik und Gesellschaft oft anhaftet, ist beim Kunstwerk unerwünscht; geht es hier doch um Einwirkung auf Ebenen, die
in der Tiefe der Wahrnehmung und Empfindung liegen.
Almut Aue versteht ihre Bildserie einerseits als politisches Statement pro Ukraine; zuvorderst steht aber die künstlerische Aussage. Als interdisziplinär tätige Künstlerpersönlichkeit hat sie ihre Message mit zwei Wortkunstwerken gerundet, die mich sehr berühren. Mir widerstrebt es aber, zu diesem Zeitpunkt und vor diesen Sujets ausführliche ästhetische Erwägungen vorzunehmen, oder gar vom Kunstgenuss zu reden. Wie Arbeiten dieser Serie weiterführen, weg vom quälenden Bezug zum aktuellen Ereignis, entscheidet der forschende und müßige Betrachter. Taten folgen dem künstlerischen Impuls: Almut Aue wird den Erlös verkaufter Arbeiten an die UNICEF Nothilfe Ukraine spenden.
Was bleibt uns nun? Starren wir weiter in die animierten farbigen Szenarien der Informationsgesellschaft.
Leben wir weiter – was sonst?
Vielen Dank, Almut Aue.
»Das leuchtende Frühlingsblau des Himmels, das fast alle diese Arbeiten grundiert und eigentlich für Aufbruch und Heiterkeit steht, habe ich als schmerzhaften, fast ironischen Gegensatz zu dem furchtbaren Geschehen versucht sichtbar zu machen.«
Almut Aue