Innovationsorientierung und eine Suche nach kreativen Potentialen ist allgegenwärtig. Der Aufruf, kreativ, schöpferisch tätig zu sein, gilt derzeit sicher nicht nur für Künstlerinnen und Künstler sondern stellt die Hoffnung für eine wissensbasierte Dynamik auch im Ökonomischen dar. So sind Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft nur die klassischen, herausragenden Bereiche mit starker Innovationsorientierung, in denen nun nach Vorbildern und Ideen für eine kreative Dynamisierung gesucht wird. Das Feld der Kunst mit der anhaltenden Suche nach Neuheiten, der steten Grenzverschiebung dessen, was Kunst sein kann, repräsentiert par excellence die gesuchte Dynamik, Sie erprobt vielfältige Wege, bietet Identitäten und Organisationsformen im Umgang mit der dauerhaften Suche nach Neuheit und Wandel. Wohin diese strukturelle Ausrichtung auf Neuheiten führt, möchte ich in drei Punkten in Hinblick auf Initiativen und Ausstellungsräume ansehen.
Alternative Räume und Initiativen müssen, wie alle andern Beteiligten im Kunstbetrieb eine paradoxe Aufgabe lösen, die aus der tiefgreifenden Innovationsorientierung entsteht: Der Spagat zwischen Verändern und Bewahren. Laufend erscheinende Neuheiten, die zunächst wegen ihrer Andersartigkeit schwer einzuordnen sein dürften. Gleichzeitig müssen alle diese Neuheiten rezipiert und verstanden werden, also in einen bewahrenden Zusammenhang gestellt werden. Im Vergleich zu den wichtigen Legitimationsinstanzen wie dem Museum haben alternative Orte zwar weniger Einfluss, bieten aber größeren Freiraum und entsprechen damit stärker der Anforderung Neuheit zu fördern. Sie schaffen oft den Nährboden für die Dynamik in der Gegenwartskunst indem sie besonders nah an der gegenwärtig entstehenden Kunst beteiligt sind. Allerdings gestaltet sich die Suche nach Alternativen Orten, Formen der Zusammenarbeit und künstlerischen Schaffens nicht so einfach, wenn das Streben nach dem Ungewöhnlichen und Neuen schon der Normalfall und nicht mehr das Besondere, Ungewöhnliche, Überraschende ist. Wie ermöglicht man Neuheiten, wenn sie doch schon implizit erwartet werden?
Alternative Ausstellungsorte stellen nun Raum für unterschiedliche Ziele. Sie können geschützte Zonen sein, in denen der Eigenlogik der künstlerischen Produktion und Auseinandersetzung quasi ungestört nachgegangen werden kann wie im Kunstverein Familie Montez. Sie können Labore sein, in denen eine kritische Reflexion auf Bedingungen der Gegenwart wie bei der afip (akademie für interdisziplinäre Prozesse) stattfindet. Sie können aber auch Orte sein, in denen die scheinbaren Gegensätze von Kunstmarkt und Vermittlung verbunden und versöhnt werden – wie hier bei der Veranstaltung Tausch! Dabei müssen sie den Spagat bewältigen, sich sowohl vom etablierten Kunstbetrieb abzugrenzen – sonst wären sie keine alternativen Ausstellungsorte – aber dennoch Teil des großen Spiels zu bleiben, das sich Gegenwartskunst nennt. Sonst wären sie Design-Präsentationen oder Plattformen für Freizeitmaler oder Kunsthandwerk.
Mit welchen Mitteln und Ressourcen im Kunstbetrieb allgemein aber auch in alternativen Räumen und Organisationsformen gearbeitet wird, möchte ich anhand verschiedener Kapitalsarten erläutern, die von vom französischen Soziologen Pierre Bourdieu stammen. Was dabei als ersten in den Sinn kommt, ist das ökonomische Kapital: das chronisch knappe Geld, aber ebenso Macht, Wissen, Aufmerksamkeit, Anerkennung in Form von symbolischem, kulturellem Kapital und sozialem Kapital. Über je mehr Kapital-Chips der unterschiedlichen Sorten man verfügt, desto höher der Status und die Einflussmöglichkeiten. Durch die Verteilung der unterschiedlichen Kapitalsorten strukturiert sich das Feld der Kunst. Sie bilden die Grundlage für die soziale Ordnung und dafür was als Gegenwartskunst anerkannt wird. Über die Reihenfolge ihrer Bedeutung gibt es allerdings unterschiedliche Ansichten, die auch beim Tausch!- Forum offenbar werden und eng mit dem Verständnis von Kunst und ihrer Aufgabe verwoben sind.
Mit einem anderen französischen Soziologen, Pierre-Michel Menger, lassen sich dann vier Verständnisse von Kunst unterscheiden. Insbesondere ihre jeweiligen Einschätzung der derzeitigen Veränderungen im Feld der Kunst. Das geschieht im Verhältnis zur Rolle der Ökonomie in der Kunst oder noch weiter gefasst dem Kapitalismus. Bei der ersten Perspektive wird von der strikten Trennung von Kunst und Marktkapitalismus wie auch anderen Gesellschaftsbereichen ausgegangen. Die zweite Position beschreibt einen Kolonialisierung der Kunst durch den Markt – die Kunst steht dem Markt geradezu hilflos gegenüber. Eine dritte Position sieht im in der Kunst ein den Kapitalismus zerstörenden Einfluss und kritisiert diesen mit den ihr eigenen Mitteln. Bei diesen drei Positionen ist die Kunst das Andere ein besonderer Bereich in der Gesellschaft. Die vierte Position begreift die Kunst als homolog zu anderen Gesellschaftsbereichen und nimmt an, dass Kunst und andere Produktionsbereiche nicht im Gegensatz zueinander stehen, sondern, dass eher die Kunst und Grundmerkmale künstlerischen Arbeitens in besonderem Maße den gegenwärtigen Herausforderungen entsprechen.
Wer erfolgreich ist, verdient Geld, bekommt einflussreiche Positionen und hat ein hohes Ansehen, auf das Urteil dieser Person wird Wert gelegt. Wie nun das Kunstverständnis von Personen ist, die über ökonomisches Potential, Einfluss und Ansehen verfügen. Jedenfalls entscheidet die Gruppe von Personen, was als gute Kunst anerkannt wird und wie sie in ihrem Alltag mit den ökonomischen Anforderungen im Bereich der Kunst umgehen. Alle anderen sind im Spiel dabei, haben aber deutlich weniger Definitionsmacht. Die vier Perspektiven auf das Verhältnis von Kunst und Markt bestimmen also ob der Markt als etwas Feindliches, Fremdes gesehen wird oder als Partner in der Ermöglichung von Kunst.
Der Kunstmarkt hat seine eigenen Dynamiken, weil es eben ein Markt ist, von der sich die Kunstvermittlung häufig abgrenzt. Den Kunstmarkt als »Das Andere« zu brandmarken ist keine überzeugende Lösung, um mit den Folgen eines vergrößerten Kunstmarktes umzugehen. Die große Aufmerksamkeit für enorme Summen bestimmen derzeit das Bild der breiten Öffentlichkeit und Berichte über Stars der Kunstwelt. Die Hypes und Blasen der Auktionshäuser wirken hinunter bis in kleine Verzweigungen der Kunstwelt. Dies gilt auch für die alternativen Ausstellungsorte und Initiativen, gerade dort finden sich die noch unentdeckten Neuheiten. Da sich der Kunstbetrieb jederzeit selbst aufmerksam beobachtet ist er damit hochgradig reflexiv. So werden auch auf Plattformen wie hier dem TAUSCH! sowohl ökonomische als auch symbolische Anerkennung der künstlerischen Werke angestrebt. Es muss sichtbar sein, dass es sich um »echte« Künstlerinnen und Künstler handelt, die bei der Suche nach Neuem und Interessantem die Aufmerksamkeit wert sind. Dabei muss klargestellt werden, dass die präsentierten Werke nicht zum Geldverdienen allein ausgestellt werden – aber doch auch.
In diesem Zusammenhang engagiert sich TAUSCH! gerade für die Verknüpfung aller vorhin genannten Ressourcen wie Macht, Geld, Wissen und Anerkennung. Auch im Programm des Forums wird eine »spielerische Herangehensweise« an die Verbindung von Ausstellung und Verkauf verfolgt. Hier wird deutlich, dass Bereiche, die klar voneinander getrennt wurden – Ausstellung und Verkauf – immer häufiger vermischt werden. Bis hin zum Workshop, der erfolgreichen Selbstpräsentation. Die Frage bleibt, ob das eine gute Idee ist. Mit dieser Trennung wurde bisher ein möglicher Interessenkonflikt zwischen Verkauf und Vermittlung organisiert. An diesem Punkt laufen Diskurse der letzten Jahre über die Frage, was gute Kunst ist und wie teuer sie sein sollte zusammen, die eine Herausforderung für den Kunstbetrieb darstellen.
Auch von einem zweiten Blickwinkel aus steht der Aushandlungsprozess um die gute Kunst vor einer Herausforderung. Wenn die Kunst das Andere darstellen will, folgt anderen Regeln als denen der Produktivität, Effizienz, Rationalität. In der Kunst sollen andere Werthierarchien gelten. Kunst kann Reflexion, Genuss, Anregung sein, ist sich selbst genug. Allerdings orientiert sich in den letzten 10 bis 15 Jahren auch die Gesellschaft an zentralen Kategorien aus dem Bereich der Kunst. Kreativität, Projektarbeit Kommunikation sollen die Produktivität steigern, ein besseres Arbeitsumfeld schaffen. Engagement, Selbstverwirklichung, Identifikation mit der Tätigkeit und Leistungsbereitschaft sind die Elemente einer individualistischen Arbeitsphilosophie, die aus der Kunstwelt entlehnt werden.
Zum Schluss möchte ich in drei Linien einen Ausblick auf gegenwärtige Diskurse geben. Zum ersten ist die Kunst innerhalb der Stadtentwicklung ein Faktor geworden. Wie in dieser Veranstaltung ersichtlich in der Kooperation der Städte Offenbach und Frankfurt wird die Kunst und im weiteren die Kreativwirtschaft gezielt unterstützt. Akteure mit unterschiedlichen Interessen sollen zusammengebracht werden. Ein Konflikt über Autonomie und Indienstnahme der Kunst entsteht.
Beispielhaft für die zweite Linie ist das Förderprofil der Kulturstiftung des Bundes, das das Wissen der Kunst und die Möglichkeiten künstlerischer Prozesse unter dem Schlagwort Wissen 2.0 in den den Gesellschaft stellt. Das Kulturförderprogramm des Bundes orientiert sich am Bild des Labors, das künstlerische Forschen hat Konjunktur. Hier wird am zentralen Verständnis der Autonomie der Kunst gerüttelt, die sich in ihrer Eigenlogik entwickeln will. Wenn diese Formen des kreativen Arbeitens immer stärker in andere Teile der Gesellschaft diffundieren, wird die Grenze zwischen Kunst und nicht-Kunst unscharf. Zu was Ausstellungsräume eine Alternative darstellen sollen, ist nicht immer klar.
Für die dritte Linie steht die Veranstaltung hier selbst, indem sie Verkauf und Vermittlung verbindet und damit an wichtige und konstitutive Elemente des Kunstbetriebes rüttelt. Hier stehen die etablierten Rollenverteilungen (artist curates him*herself) und das Vertrauen und den Ablauf von ökonomischen Prozessen innerhalb des Feldes vor einer neuen Unübersichtlichkeit. Gerade in diesem Punkt wird noch viel verhandelt werden müssen.
Jetzt möchte ich Sie zu einem Tauschrausch anstiften. Schauen Sie doch in ihre Taschen, was sie zum Tauschen dabei haben. Zum einen Geld, für das sie hier die Werke kaufen können, oder die Plastikkarte. Aber auch die Sammlung an Visitenkarten, Ihre Aufmerksamkeit, Ihr Wissensschatz sind jetzt wertvoll. Ziel der Veranstaltung TAUSCH! Ist es »Menschen zu Undenkbarem zu bewegen.« Dem steht nun nichts mehr im Weg.