Der Ausschreibungstext für die Schrankstipendien 2010 – 2012 lautete: Der Internationale Kunst-Preis »Schrank-Stipendium« fördert künstlerische Projekte
im allen künstlerischen Bereichen. Die Förderung erfolgt projektbezogen. Das Schrank-Stipendium ist ideal für Künstlerinnen und Künstler, die einige Zeit in Ruhe an ihren Projekten arbeiten wollen. Das Artist-in-Residence-Stipendium beinhaltet einen mietfreien, zweiwöchigen Arbeitsaufenthalt im Schrank von Ruth Luxenhofer (Zeitpunkt nach Absprache). Der Standort des Stipendiumsplatzes ist im Schrank des Ateliers von Ruth Luxenhofer, Offenbach/Main. Anschließend ist eine Einzelausstellung im Schrank geplant. Ein PDF-Katalog des Stipendiumsberichts von maximal 2 Seiten wird erstellt. Bei Bedarf ist es möglich, zum Selbstkostenpreis eine Druckversion des Katalogs zu erstellen. Es besteht Anwesenheitspflicht.
Bewerbungs-Gebühr: 5 Euro
Die Künstlerinnen Eva Moll, Verena Lettmayer, Ruth Luxenhofer und Charlotte Malcom-Smith hatten im Sommer 2009 zum ersten Mal den ungewöhnlichen Kunstpreis ausgeschrieben. »Wir wollten auf die Bedingungen aufmerksam machen, unter denen Künstler arbeiten. Darauf, dass Künstler sich auf die irrsinnigsten Wettbewerbe einlassen, nur um mitzuspielen im Kunstbetrieb.« sagt Malcom-Smith. Mit der Auslobung weisen die vier Jurorinnen auf die prekäre Lage der Künstler hin. »Was als Provokation und Ironie begann, ist Ernst und bittere Realität geworden«, sagt Eva Moll. Lassen wir die beteiligten Künstlerinnen mit eigenen Worten ihre ganz persönlichen Fazits ziehen:
Ruth Luxenhofer // Nur in manchen Fällen würde ich sagen, läuft es einmal so richtig gut mit der Kunst. Das ist nichts Neues. Wenn es einmal gut läuft, dann weil man sich versteht. Ich meine, weil etwas verständlich wird, etwas in Verbindung gerät, für einen selbst und zwischen einander. Was das Schrankstipendium angeht, so war das so eine erfreuliche Sache.
Zuerst haben wir unter Freundinnen auf dem Sofa gesessen und uns eben verstanden, ich meine geplaudert haben wir über uns und unseren Beruf als Künstlerinnen, haben Kaffee getrunken und waren guter Laune. Die Idee mit dem Schrank und dem Stipendium haben wir dann einfach umgesetzt und uns selbst zur Jury ernannt.
Im Laufe des Projektes gab es durch die Ausstellungen der Stipendiaten, die Konzerte und auch die Presse viele Gespräche, und ich war überrascht, wie viele Themen das Schrankstipendium berührte. Der Schrank entwickelte sich symbolisch zu einem kleinen Zentrum eines gemeinsamen Brainstormings über Themen wie der schwierigen, nicht bezahlbaren Raumsituation für Künstler oder der Stipendiumslandschaft, die entweder gute, aber zu rar gesäte Angebote bereithält, die aber vielleicht ohne die rechten Kontakte nicht zu haben sind. Andere wiederum sind nur als solche getarnt und verführen die Künstler dazu, einen unbezahlten engagierten Einsatz für die Kulturlandschaft von Stadt oder Land zu leisten.
Wir haben ein Stipendium »gespielt« und damit unsere Berufserfahrungen mit allen Interessierten oder auch unfreiwillig Verwickelten geteilt und uns so gemeinsam auf den neusten Stand der Lage gebracht. Manchmal verschwamm die Ironie des Projektes in seiner Außenwirkung, und dadurch wurde klar, wie gut eine Selbstermächtigung funktioniert. Es ist erstaunlich, was die Selbsternennung zum Jurymitglied eines Stipendiums bewirken kann, es gab Situationen, in denen man sich auf Grund dessen um mich bemühte. Das Schrankstipendium ist ein kleines auf die Spitze getriebenes Modell realer Gegebenheiten, eine Art Theaterstück über die Arbeitsbedingungen von Künstlern und Künstlerinnen.
Hier zuhause auf meinem Schreibtisch steht jetzt sogar wirklich ein kleines Modell, das kleine Modell vom Schrank, hervorgegangen aus der Stipendiaten-Aktion des Künstlers Vládmir Combre de Sena und lädt mich zum Weiterspielen ein!
Verena Lettmayer // Das Schrank-Stipendium – der große Fake!
Anfangs war es eine Scherz: Es gibt ja viele Stipendien. Aber die Bedingungen derselben sind teilweise haarsträubend. Warum dann nicht mal den Spieß umdrehen, und selber eines einsetzen… z.B. mit diesem alten Bauernschrank, der hier im Atelier herumsteht. Wie weit sind Künstler*innen bereit zu gehen? Welche absurden Bedingungen können ihnen aufgehalst werden, im Namen der hehren Kunst?
Wir selber wollten uns natürlich schadlos halten und überlegten sorgfältig, wer als Preisträger*in fungieren sollte. Jung, attraktiv und in den Startlöchern für eine Künstler-Karriere sollte die Person schon sein. Und wenn sie schon mal einen Bestseller geschrieben hatte, umso besser! Eine Win-Win-Situation!
Inwieweit den Rezipient*innen die ganze Meta-Ebene immer bewusst war? Schließlich gibt es auch andere wahnsinnig originelle Stipendien; das heißt jedoch nicht, dass diese die ganze Struktur in Frage stellen. Und genau das wäre mein Ansatz gewesen.
Dass das ganze ein großer Scherz war, hatten irgendwann die meisten erfasst. Gleichwohl kam bei mir der Gedanke auf, dass sich das Projekt (v.a. im Laufe der zweiten Ausschreibung in 2012, als insgesamt 6 Preisträger*innen ihre Schrank-Projekte dann auch physisch umsetzten): »Ist es nun letztlich nicht doch ein ganz herkömmliches Stipendium geworden?« … auch wenn dies immer wieder aufgebrochen wurde, so z.B. als ein Stipendiat offiziell seinen Preis zurück gab, mit der Begründung, zwei Wochen ein Stipendium wahrzunehmen, könne er sich finanziell nicht leisten…
Gleichwohl: mein Resumee bleibt zwiespältig: inwieweit sind kritische Interventionen im Kunst-Kontext überhaupt möglich, ohne sofort von diesem assimiliert zu werden. So dass es am Ende eben wieder nur Kunst ist. Und danach gehen wir wieder nach Hause ins echte Leben.
Eva Moll // »Die Kunst ist ein Schrank« sagte einst Daniil Charms. Das Schrankstipendium ist für mich Anschauungsmodell, kunstbetriebliche Prozesse kritisch zu hinterfragen, Strukturen besser zu verstehen. Und es ist für Kunstschaffende ein Anlass, Aktionen und Ausstellungen zu entwickeln, die über künstlerische Vorhaben hinaus wirken und davon erzählen, was passiert, wenn man Prozesse zulässt.
Charlotte Malcolm-Smith // Das Schrankstipendium war ein unerwarteter Erfolg, und bis heute werde ich von Leuten gefragt, ob sie sich dafür bewerben können. Das Ganze war bizarr, nicht weil ich daran geglaubt hatte, sondern weil es so gut funktioniert hat. Bei unserer ersten Schlüsselübergabe für das Stipendium wurde der Schlüssel vom Offenbacher Oberbürgermeister überreicht. Jeder Künstler, sei er/sie Maler, Filmemacher oder Schriftsteller, hat sich tatsächlich mit dem Schrank auseinandergesetzt. Bernd Thiele ist im Januar gekommen und hat zwei Wochen lang im Schrank gefroren. Daraus entstand ein Film. Ulrike von der Osten hat den Schrank durch Frankfurt geschleppt und die Reaktionen der Passanten festgehalten. Vládmir Combre de Sena als bislang letzter Stipendiat hat den Schank rituell verbrannt und ich hatte ein Problem weniger.