Das Jahr 2019 steht bei EULENGASSE im Zeichen von Anerkennung im Kunstkontext. Anerkennung ist zu verstehen als eine wertschätzende Wahrnehmung und Haltung der Person an sich sowie auch als eine ökonomische Anerkennung von Kunstschaffenden, ihrer diversen Arbeitsleistungen und Werte. Dabei thematisieren wir neben den wechselseitigen Beziehungen der Protagonisten des Kunstbetriebes untereinander auch das Verhältnis zwischen Kunstbetrieb und dem gesamtgesellschaftlichen Gefüge.
Als vor einigen Jahrzehnten die bildende Kunst in der populären Kultur immer beliebter wurde, gab es mehr Raum für Ausstellungen, und als Folge davon wurden mehr Menschen stärker in die Kunst einbezogen. Die Erweiterung der Szene brachte mehr Akteure ans Licht, schuf Superstars und Künstler*innen mit großem Erfolg – aber was ist mit der Qualität ihrer Arbeit? Inzwischen haben wir viele unsichtbare und nicht anerkannte Künstler*innen um uns herum; ist die Qualität ihrer Arbeit wirklich geringer? Es wurde viel deutlicher, dass der Erfolg künstlerischer Arbeit mehr mit (Selbst-)Vermarktung, Netzwerken und anderen Akteuren (Journalist*innen, Kurator*innen, Galerist*innen, Unterstützer*innen und unzähligen Freund*innen etc.) zu tun hat.
Der dialektische Aspekt des Jahresthemas lässt sich festmachen an verschiedenen Vorstellungen über das Künstlertum – sowohl von Personen innerhalb als auch außerhalb des Kunstkontextes. So existiert beispielsweise immer noch das romantisierende Klischee vom Künstler als dem aus dem Nichts schöpfenden Individualgenie, dessen Präsenz und Anregungen sich die Gesellschaft gerne bedient. Andererseits werden Künstler*innen oft in ihren realen – vor allem ökonomischen – Bedürfnissen wenig ernst genommen, ihre Werke oft nicht angemessen rezipiert und Entstehungsprozesse nicht als geleistete Arbeit verstanden.
Mit Akteur*innen aus Kunsttheorie, Vermittlung und Kunsthandel, mit Sammler*innen, Philosophen und Künstler*innen, und mit Rezipient*innen und Ausstellungsbesucher*innen fokussieren wir die Unterschiede, Ambivalenzen und Widersprüche des Kunstmarkts und seiner Wirkung auf das künstlerische Schaffen und Handeln. Wir wollen mit den verschiedenen Ausstellungen und anderen diskursiven Veranstaltungen klären, worum es eigentlich geht: Um die eigene Selbstreflexion und Selbstvergewisserung als Künstler*in? Um die Außenwahrnehmung vom »Kunstkontext«, also um Anerkennung von »etablierter Stelle«?
Und dann haben wir hier noch die »freie Szene«: Geht es also bezogen auf EULENGASSE um Anerkennung als artist-initiative? Gibt es für deren Künstler*innen einen Platz, irgendwo zwischen »Offenem Atelier« und Mega-Events? Unterscheidet sich die freie Szene wirklich so sehr von der Kunstszene im Allgemeinen? Was ist Erfolg? Und wie gehen wir mit dem Mangel an Anerkennung um?
Fragen, Zweifel, Unvereinbares – es geht wohl um die Widersprüche der Anerkennung. Lassen sich Antagonismen durch ein In-ein-Neues-Überführen auflösen? Wie sind entsprechende Erwartungshaltungen der verschiedenen Akteure, können diese überhaupt befriedigt werden? Solche Fragestellungen und weitere spezifische Dynamiken des Kunstkontextes und ihre Wirkung auf das künstlerische Schaffen und Handeln sind 2019 Thema bei EULENGASSE. Gemäß dem Hegelschen Verständnis von Dialektik als eine Methode des Gegenüberstellens gegensätzlicher Positionen, durch das man über Synthese zu einer neuen Vereinbarung kommt, machen wir uns Dialektik als Form der Unterredung, als Gesprächsführung zunutze, um in sprachlicher und künstlerischer Auseinandersetzung die sprichwörtlichen zwei Seiten der Medaille zu betrachten und offen zu diskutieren. In Ausstellungen und weiteren Veranstaltungsformaten wird ausgelotet, wie es um Anerkennung in Bezug auf Künstler*in und Werk steht.