Sabine Voigt zeigt in der Ausstellung TUPEL verschiedene Werkgruppen ihres OEuvres, die in den letzten drei Jahren entstanden sind. Dabei geht es vorwiegend um geordnete Paare, die formal als Ausdruck der Kommunikation, der Verbindung und der landschaftsbildenden Linie in einer Zeichnung verwendet werden. Der Ausstellungstitel bezieht sich auf einen Begriff der Informatik und bedeutet die geordnete Folge eines Dualsystems. Kombinationen aus zwei Quadraten oder einem Quadrat und einem Rechteck werden, unabhängig von ihrer Ausgangsform, zu einem Ganzen. Auf diese Weise betont Voigt die Synergien der einzelnen Tuschzeichnungen, Frottagen und Collagen, die durch den Dualismus entstehen. Mittels der geordneten Verbindung wird die Öffnung des Raumes nicht nur materiell sondern auch imaginär erweitert und soll somit das menschliche Miteinander und urbane Entwicklungen evozieren.
Die Auswahl des Bildträgers und der angewendeten Techniken spielen dabei eine wichtige Rolle. Für die 1961 geborene Künstlerin ist es maßgebend, sich geistig und technisch des verwendeten Materials anzunähern und seine Grenzen auszuloten. Ganz bewusst unterscheidet Sabine Voigt zwischen den teilweise versiegelten Kartonagen. Sie verwendet eine Grundierung, die normalerweise der Leinwand zugedacht ist und schafft damit die Möglichkeit, neue Effekte zu erzielen. Aus dem frei fließenden Farbauftrag entwickeln sich durch Auswaschung Hügellandschaften, Baumalleen, Pflanzen und Figuren. Ergänzt werden diese mit Formationen, die an bewirtschaftete Felder oder Spuren der Vergangenheit erinnern. Den Landschaften fügt die Künstlerin Behausungen und konkonartige Gebilde hinzu, die auf Höhlen oder futuristische Architektur verweisen. So kann man bereits bei diesen Bilderpaaren die Intention zeitlicher Verflechtungen erkennen, die in den hier als Leporellos bezeichneten Werken in erweiterter Form sichtbar werden.
Sabine Voigts künstlerisches Selbstverständnis, durch raumgreifende Darstellung die Ausdruckskraft einer inneren Öffnung zu erlangen, hat sich aus einem bildhauerischen Ansatz entwickelt und wird von ihr auf die Papierarbeiten übertragen. So entstanden in früheren Schaffensperioden Leporellos, die mit ihren Faltungen und Rissen die Zerbrechlichkeit individueller Identität darstellen. Eine kreative Weiterführung dieser zarten Blätter befindet sich in der Ausstellung TUPEL. Hier sind drei großformatige „Leporellos“ vertreten, die durch Neuordnung und Überarbeitung eine Verbindung von neuen und älteren Werkgruppen darstellt. Die kontinuierliche Linie geht derartig über die Fläche hinaus, dass ein Bewusstsein für die Dreidimensionalität des Bildträgers entsteht. Dabei kombiniert die Künstlerin den historischen Zeitstrahl von der mittleren Steinzeit bis ins 21. Jahrhundert mit der eigenen künstlerischen Schaffenszeit.
In einer Prozesshaftigkeit schöpft Voigt aus ihrem eigenen Materialarchiv. Ältere Werkgruppen werden partiell als Collage eingearbeitet, rhythmisch gesetzte Flächen erinnern in ihren Umrisslinien an Tags, die man in der Graffitikunst vorfindet. Frottierte Fundstücke werden mit Zeitungscollagen zu einer formalen Einheit kombiniert. Die Transformation knüpft dabei an das Fokussieren wiederkehrender Formen an. Von Lebenserfahrung geleitet und Medien inspiriert, versucht Sabine Voigt damit Antworten auf ein soziales und harmonisches Miteinander zu bekommen. Figurengruppen, die an namibische Höhlenmalerei erinnern, werden Phänomen der Massenzivilisation gegenübergestellt. In Auseinandersetzung mit Mensch und Natur wird somit eine Verbindung zwischen unterschiedlichen Kulturen und der Verortung der Wiege der Menschheit erreicht.